Sonntag, 8. April 2018

Das jüngste Gericht


Der Himmel war fast schwarz. Dunkle Wolken rasten bedrohlich schnell von den Bergen hinab Richtung Dorf. Dort waren alle Fenster und Türen verschlossen. Die Angst vor dem kommenden Unwetter ließ den Ort verwaist erscheinen, so als ob er schon seit langer Zeit verlassen worden wäre.  Nicht einmal ein Hund war auf der Straße. Es war sehr still – die Ruhe vor dem Sturm. Und der würde kommen!
Die Luft roch nach Unheil. Langsam aber stetig wurde der Wind stärker, fegte die Straßen entlang, rüttelte immer heftiger an geschlossenen Fensterläden. Irgendwo schepperte eine Türe, wahrscheinlich hatte jemand vergessen sie zu schließen. Niemand kümmerte sich darum. Das Rauschen des Sturms schwoll stetig an. Immer mehr Gegenstände flogen durch die Luft, knallten an Häuserwände, Gartenzäune und Wägen, fielen herunter und machten einen Höllenlärm.
Ein anfangs leichter Regen peitschte nun waagerecht und prasselte auf Dächer und Fenstersimse. Bäume bogen sich beängstigend hin und her und wer wusste schon, ob sie nicht entwurzelt auf Häuser oder Menschen stürzen würden? Gleißende Blitze durchzuckten den Himmel, sofort gefolgt von tosendem Donner. Es schien, als ob der Weltuntergang gekommen sei.
„Das ist die Strafe Gottes, er bestraft uns, wir sind verflucht“. Michel saß am Küchentisch, die Hände auf dem Tisch gefaltet, den Kopf gesenkt. Er murmelte etwas vor sich hin, das wie ein Gebet klang. „Vater unser im Himmel….“. Er schüttelte den Kopf. „Wir sind verflucht – alle. Wir hätten das nicht tun dürfen. Jetzt bestraft uns der Herrgott, wir werden alle sterben“.
„Halt den Mund! Niemand wird hier bestraft. Das ist nur ein ganz normales Gewitter.“ Gertrud, seine Frau, fasste ihn von hinten an der Schulter und schüttelt ihn. „Hörst du?“
„Das ist das jüngste Gericht, wir müssen jetzt büßen für unsere Tat. Es gibt keine Hoffnung mehr für uns, für keinen von uns, wir sind schon beinahe tot. Die Erde wird sich auftun und uns hinabreißen und wir werden ewig in der Hölle braten“.
Wie zur Bestätigung donnerte es laut.
Plötzlich ein lautes Klopfen. Michel erschrak „jetzt kommt er uns holen!“ Er beugte wieder den Kopf und faltete die Hände „… und vergib uns unsere Schuld…“.
Gertrud öffnete die Tür. Es war der Bürgermeister. Seine Kleidung war nass und die Haare hingen ihm wirr ins Gesicht. „Berti, was machst du denn bei diesem Wetter draußen? Komm rein!“
Berthold betrat die gute Stube und zog die nasse Jacke aus. „Ich mach dir schnell einen Kaffee, setz dich an den Ofen“. Gertrud hängte die Jacke an den Kleiderhaken an der Tür.
„Danke Gerti, den könnte ich gut gebrauchen.“ Der Bürgermeister lehnte sich an den warmen Kachelofen und rieb sich die Hände „was für ein Sauwetter“.
„Das ist die Strafe Gottes Berti, wir sind verflucht“ drang die verzweifelte Stimme Michels vom Tisch herüber „wir hätten das nicht tun dürfen“.
„Michel, was redest du denn da?“ Berthold war verwundert. Offenbar war Michel durch das starke Unwetter vor Angst verwirrt.
„Nichts Berti, der Michel hat nur Angst vor dem Gewitter und jetzt fallen ihm alle seine kleinen Sünden ein, die er jemals begangen hat“ sagte Gertrud hastig „Michel reiß dich doch zusammen!“.
„Wie möchtest du deinen Kaffee Berti? Mit Milch und Zucker?“
„Schwarz wie die Nacht finster“.
„Schwarz und finster – die Nacht verschlingt uns, und lässt uns nicht mehr los. Herr vergib uns, bitte vergib uns.“ Michel fing an zu weinen.
Derweil riss und zog der Wind an den Fensterläden, der Regen prasselte mit voller Wucht nieder und die Straßen draußen waren im Nu überschwemmt, ein strenger Wind heulte und drohte den Baum vor dem Fenster, dessen Fensterladen inzwischen weggeflogen war, umzureißen und auf das Haus zu stürzen. Ein gleißender mehradriger Blitz fuhr vom Himmel und der sofort darauf folgende ohrenbetäubend laute Donner zeugte davon, dass es ganz in der Nähe eingeschlagen haben musste. Obwohl es erst Mittag war, hüllte die bedrohliche Dunkelheit alles ein. Vor lauter Niederschlag konnte man keine 5 Meter weit sehen.
Gertrud hatte inzwischen das Licht angemacht, reichte dem Bürgermeister ein  Haferl mit Kaffee und setzte sich neben ihn auf die Ofenbank. „Irgendwer hat seine Suppe nicht aufgegessen“ scherzte Berthold, aber es war ihm nicht zum Lachen.
Plötzlich wurde es dunkel in der Stube. Michel schrie auf und Gertrud lief, um Kerzen zu holen.
„… sondern erlöse uns von dem Bösen“. Michel legte den Kopf auf die Hände und schluchzte.
„Armer Michel“ sagte Berthold. „Ich wusste nicht, dass er so ein ängstlicher Typ ist.“ Aber sehr wohl war auch ihm nicht. Er hatte auch Angst, eine beschissene Angst!
„Es war nicht Recht, ihm das anzutun. Das hatte er nicht verdient“ Michel schüttelte den Kopf. „Der Herrgott hat gesagt ‚du sollst nicht…. “.
„Michel, du musst aufhören damit. Das Gewitter verwirrt dir den Kopf.  Du kannst keinen klaren Gedanken fassen. Hier, trink einen Becher Kaffee mit Milch, dann geht es dir wieder besser“. Gertrud drückte ihm schnell die Tasse in die Hand und strich über seinen Kopf. „Es ist alles gut. Was geschehen ist, ist geschehen und du solltest darüber auch nicht länger nachdenken“.
Berthold schaute fragend auf. „Von was redet ihr beide denn da? Was ist denn geschehen?“
Es klopfte wieder an der Tür und als Gertrud öffnete, trat der Pfarrer ein. „Gott zum Gruße beisammen. Ob ich mich wohl etwas bei euch aufwärmen dürfte? Ich war gerade beim Sepp Hochleitner und das Unwetter hat mich dann doch noch auf dem Rückweg erwischt. Hab nicht gedacht, dass es so schnell kommt“.
Gertrud erschrak als Michel aufschrie „der Sepp, der Sepp. Das hat er nicht verdient, wir hätten ihm das nicht antun dürfen. Nun kommen die himmlischen Heerscharen und holen uns und wir braten in der Hölle. Herr Pfarrer bitte beten sie für uns“.
Der Pfarrer und der Bürgermeister starrten den Michel entsetzt an. Gertrud hob die Hand und schlug Michel ins Gesicht. „Hör endlich auf damit, was vorbei ist muss ruhen!“.
Michel sprang auf und lief aus dem Zimmer.  Noch bevor seine Frau es verhindern konnte, riss er die Haustüre auf und rannte direkt in das tosende Unwetter hinein.
„Michel! Michel! Komm zurück!“. Die drei Zurückgebliebenen standen entsetzt und ratlos im Flur und sahen durch die Haustüre in die Schwärze und versuchten Michel auszumachen. Aber sie sahen ihn nicht. Sie wussten nicht, was sie tun sollten. Gertrud nahm die Jacke des Bürgermeisters vom Haken, warf sie sich über und rannte los. Hinter ihr schloss sich die Wand aus Regen und umherfliegenden Teilen. Der Bürgermeister und der Pfarrer sahen sich hilflos an. Keiner traute sich den beiden zu folgen.
An nächsten Morgen war der Spuk vorbei und die Sonne lachte vom Himmel, als hätte sie nie etwas anderes getan. Das Gewitter hatte sich in der Nacht abgeschwächt und sich dann ganz verzogen. Die Straßen waren voller Schmutz und Unrat, die Gärten und Vorgärten verwüstet, die Häuserwände schmutzig, Dächer abgedeckt, Wägen umgefallen, die Brücke eingestürzt,  Bäume entwurzelt. Am schlimmsten sah es auf dem Marktplatz aus, Äste der dicken alten Linde waren abgebrochen und herabgefallen und unter einem dieser dicken Äste lag Michel, Hand in Hand mit Gertrud.
Der Bürgermeister fand die beiden und holte den Pfarrer. Beide standen traurig und ratlos. Würde das Geheimnis, das Michel und Gerti geteilt hatten nun für immer unentdeckt bleiben? Der Pfarrer schaute vor sich hin, runzelte die Stirn und meinte rätselhaft „wir werden ja sehen…..“ .

© Petra Schuster
Nürnberg, 15.04.2018

Diese Kurzgeschichte entstand im Rahmen eines Schreib-Kurses beim Bildungszentrum Nürnberg am 8.4.2018 bei dem Dozent Lucas Fassnacht. Der letzte Satz sollte derselbe sein, wie der, den wir in einem Übungsdialog vorher verwendet haben, deshalb hat diese Geschichte auch kein Ende :-).
Überarbeitet und dann Vorgetragen am 15.04.2018 in der Orangerie im BZ

Samstag, 11. März 2017

Der kleine Löwe

Der kleine Löwe gab klägliche Töne von sich, er war allein. Seine Mutter war mit den anderen Löwinnen zur Jagd aufgebrochen, aber als einzige nicht zurückgekehrt.

Was sollte nun aus ihm werden? Er war noch auf Muttermilch angewiesen. Heute hatte er noch nichts zu fressen gehabt. Sein Vater würde ihn verstoßen, wenn er eine andere Favoritin wählen würde. Keiner würde sich um ihn kümmern, alle würden ihn herumstoßen, er würde verhungern und verdursten, wenn nicht ein Wunder geschah.

Da näherte sich ihm eine ältere Löwin vorsichtig und erkundete mit vorgeschobener Nase seinen Geruch. Dann stubste sie ihn an, ganz zärtlich. Der kleine Löwe war erst sehr vorsichtig und zögerlich, doch dann fing auch er an, den Geruch der fremden Löwin aufzunehmen.

Die Löwin ließ sich auf ihre rechte Seite fallen und bot dem kleinen Löwen ihre Zitzen, die angesschwollen waren, so als seien sie voll Milch. Der kleine Löwe hatte so starkem Hunger, so dass er nicht widerstehen konnte. Er lief ganz schnell  hin und fing an zu saugen. Das schmeckte herrlich!

Er hörte erst auf, als er satt war. Dankbar fing er an, die Löwin am Kopf zu lecken. Diese genoss es und leckte wiederum den Bauch des kleinen Löwen, damit die Verdauung in Schwung kam. Sie hatte ihre Jungen verloren und nahm sich nun des Löwenbabys an dessen Mutter statt an. Und beide waren sehr zufrieden und glücklich.

© Petra Schuster
Nürnberg, 14.06.2010

Freitag, 31. Oktober 2014

Ein Leben mit Musik

Musik ist etwas großartiges Sie beruhigt oder beschwingt, je nachdem, was man gerade benötigt. Es gibt so viele unterschiedliche Musikrichtungen und jeder kann die für ihn gerade benötigte Musik finden. Im Sofortdownload kann man heutzutage die Musik innerhalb weniger Sekunden auf seinen PC oder Tablet bzw. Smartphone laden und kann sofort hören. Vorher hat man die Möglichkeit, sich Ausschnitte anzuhören.

Sucht man ein bestimmtes Stück, kann man es auch einmal bei YouTube oder auf anderen Portalen suchen. Manchmal findet man dort sogar qulitativ sehr gute Einspielungen - Klassische Musik sogar direkt von exzellenten Interpreten hochgeladen.

Selbst Musizieren ist natürlich für viele Menschen ein sehr wichiger  Aspekt ihres Lebens. Das hat etwas Kreatives und Künstlerisches. Früher gehörte der Blockflötenunterricht fest zu den Angeboten von ersten Schulklassen und es war selbstverständlich, dass Kinder diesen Unterricht besuchten. Leider gefällt den meisten Kindern heutzutage der Unterricht mit diesem Musikinstrument nicht mehr. Und sehr schade auch, dass es nach der frühkindlichen Musikschulung mit den Blockflöten keine weiteren fortführenden Angebote mehr gibt. Ein Ensemble zu finden, in dem man weiter spielen und weiter lernen kann - z.B. auch andere Tonartblockflöten zu lernen - ist sehr schwer. Noch viel Schöner wäre es, wenn man fündig georden ist, nicht nur "alte Musik" spielen zu können, sondern auch moderne Musik, auch mal Rockmusik zum Beispiel. 

Schön wäre es für manche musikalisch  interessierte junge Leute auch, eine Band zu finden in der auch mal Blockflöte gespielt werden. Es gibt von Mollenhauer eine Blockflöte, die man an einen Verstärker anschließen kann. 

Natürlich hat jeder sein eigenes Lieblingsinstrument. Ich selbst habe in den ersten Schuljahren Sopranblockflöte spielen gelernt, später Altblockflöte, außerdem klassische Gitarre und Klavier, später im Ensemble widmete ich mich außerdem der Tenor- und Bassblockflöte. Und ich muss ganz ehrlich gestehen: ohne Musik wäre mein Leben leer und einsam. Und sollte ich einmal kein Instrument spielen können, muss ich zuindest Musik hören! 

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Eine Hauskatze zu sein ist schön

 Eine Hauskatze zu sein hat Vor- und Nachteile. Was überwiegt kommt immer darauf an, bei wem man wohnen darf. Ich überlege mir das oft, vor allem, wenn ich auf der Fensterbank sitze und zum Fenster hinaus auf den Park schaue. Wie schön wäre es wohhl, dort entlang zu streunen, alle Düfte aufzunehmen, überall dran zu riechen, all die vielen Vögel zu jagen, sich mit anderen Katzen zu unterhalten oder einfach nur in der Sonne zu liegen und zu dösen - einfach frei zu sein.

 Andererseits ist es hier in der Wohnung sehr angenehm, es gibt viele Lieblingsplätze, die schön weich, warm und kuschelig sind, die nach Frauchen duften und die mir niemand streitig macht - außer vielleicht Frauchen selbst. Ich muss nicht um mein Revier kämpfen, es gehört mur mir alleine. Mein Napf ist immer voll mit meinem Lieblingsessen und wenn ich mich davor setze, wenn Frauchen in der Küche ist und ich lange genug warte, dann werde ich liebevoll gestreichelt, während ich dinniere. Tagsüber habe ich Ruhe und Abends fordere ich mein Frauchen zum Spielen auf. Ganz besonders liebe ich es, wenn ich vor ihr her fetze, so dass sie fast über mich stolpert. Das größte Glück für mich ist dann, wenn sie darüber herzlich lacht.

Mein Geschäft  mache ich in einer eigenen Toilette, dem Katzenklo und wenn Frauchen es jeden Abend säubert, warte ich und sehe geduldig zu. Ist sie fertig, muss ich natürlich sofort hinein und meine wichtigen Geschäfte machen. Frauchen sieht mir dabei zu und streichelt ganz sanft mit einem Finger über meinen Kopf und murmelt liebevolle Worte.

Das Größte ist, wenn Frauchen auf dem Sofa sitzt und eine Decke über ihre Beine gebreitet hat. Da lege ich mich sofort darauf und schlafe. Oder ich lege mich neben sie und schmiege meinem Kopf in ihre Hand. Das mache ich auch sehr gerne, wenn wir beide dann ins Bett gehen. Frauchen hat extra einen eBook-Reder gekauft, den sie mit einer Hand bedienen kann und wenn sie etwas schreibt, benutzt sie ein Spiralbuch auf einem Knietablett, damit sie die zweite Hand für mich frei hat.

Ja so eine Hauskatze zu sein ist schon sehr vorteilhaft!

Euere Ramona

Samstag, 27. September 2014

Mein geliebtes Katzenklo

Ich liebe mein Katzenklo! Vor allem morgens, wenn mein Frauchen sich im Bad fit macht für den Tag. Sie liebt es nämlich, wenn sie vor dem Spiegel steht und ich zwischen ihre Füße hindurch in meine Klohöhle schlüpfe. Da beugt sie sich vor, schaut herein und ist ganz begeistert: "musst du ausgerechnet dein Geschäft machen, wenn ich im Bad bin?"

Und dann sitze ich und mache mein "Geschäft", ein großes, duftendes. Danach scharre ich mit richtig großer Begeisterung das Ergebnis zu, so groß ist der Spaß dabei, dass viele Körnchen des Katzenstreus vor das Katzenklo fallen. Frauchen reagiert wieder hocherfreut:"hey nicht so toll, da muss ich ja wieder alles zusammenkehren".Ich freue mich immer sehr, dass es ihr so gut gefällt.

Und das ist noch nicht alles. Meist kommt dann noch ein "igitt, das riecht ja wieder würzig". Sie reißt dann auch gleich das Fenster auf, damit ich frische Luft schnuppern kann. Ich bin sehr glücklich, dass sie es liebt, wenn ich auf die Kiste gehe, während sie sich schön macht.

Ja, sie ist schon toll und sie liebt mich wirklich sehr!

Euere Ramona

© Petra Schuster
Nürnberg, 01.06.2007

Freitag, 26. September 2014

Der Lange und das Kätzchen

Es war dunkel draußen. Und kalt. Das kleine Kätzchen saß zitternd und frierend im Schnee und miaute kläglich. Aber niemand schien es zu hören. Die Katzenmama war fortgelaufen, um etwas zu Fressen zu suchen. Das Katzenmädchen miaute immer öfter und lauter, es hatte Hunger und große Angst und natürlich fror es entsetzlich. Sie war die einzige aus dem Wurf, die noch am Leben war, alle anderen waren längst gestorben, verhungert oder erfroren. Aber die Mutter wollte und wollte nicht wiederkommen.

Verzweifelt lief das Kätzchen in die Richtung, in die die Mutter verschwunden war. Und da lag sie plötzlich vor ihr, tot. Ein Auto hatte sie erfasst und mitgeschleift.

Das arme Kätzchen lief zu ihr, stubste sie an und ließ nicht locker, immer und immer wieder stieß sie die kleine Nase in die Seite der Toten. Miauuuu, miauuuu, miauuuu! Ganz traurig legte sie sich dann an die Seite der Mutter, bettete den Kopf auf die Pfoten und miaute leise weiter.

Ein großer, hagerer, traurig aussehender Mann näherte sich dem Trauerort. Er blieb erstaunt stehen, als er die kläglichen Laute hörte. Als er die Situation erfasste, beugte er sich hinab zu dem winzigen Schreihals und hob ihn hoch. Das Kätzchen sah zu ihm auf, miaute noch ein paar Mal und als es der Mann zärtlich streichelte, rieb es seinen Kopf an seiner Hand.

Der Lange schob das kleine Kätzchen unter seinen Mantel und auf dem Nachhauseweg holte er im Supermarkt an der Ecke noch eine Schale mit Katzenfutter. Zuhause angekommen bekam das Kleine zuerst ein Tellerchen mit Milch, und dann konnte es sich endlich satt fressen.

Der Mann verließ noch einmal das Haus. Er holte die tote Mutterkatze und vergrub sie in seinem Garten.

Die beiden, der Lange und das Kätzchen, wurden bald unzertrennlich. Abends saßen sie gemeinsam auf dem Sofa, der Mann streichelte das Köpfchen der Kleinen und er selbst war auch nicht mehr traurig, sein Leben hatte wieder einen Sinn bekommen, er hatte eine Aufgabe, wurde geliebt und gab diese Liebe tausendfach zurück.

© Petra Schuster
Nürnberg, 25.05.2004

Montag, 22. September 2014

Nachts um Zwölf

Ein lautloser Schatten glitt durch die Nacht. Es war nicht festzustellen, um was - oder wen? - es sich handelte. War es ein Menschen, ein Tier, ein Geist? Simon hoffte, dass es nicht Letzteres war. Er fröstelte und zog den Kragen zu, duckte sich in seinen Mantel und beschleunigte seine Schritte. Zu allem Unheimlichen gesellte sich noch ein kalter Wind und es fing an zu regnen. Der Mond war schon lange hinter dichten Wolken verwunden. Die Kirchturmuhr fing an, Zwölf zu schlagen. 

Neben Simon raschelte es im Gebüsch. Er lief schneller, stolperte über eine Baumwurzel und ein Ast streifte seinen Nacken. Warum war er nur nicht mit seiner Schwester am frühen Abend nach Hause gefahren? Es war gerade so lustig gewesen mit seinen Freunden, bei einem Glas Bier, das offene Feuer hatte lustig im Kamin geprasselt und Wärme verstrahlt. man hatte über das letzte verlorene Fußballspiel seines Vereins diskutiert und so war er noch geblieben. Das bezahlte er jetzt mit einem Fußmarsch durch unwegsames Gelände - eine enorme Abkürzung zum normalen Straßenverlauf - vorbei am Dorfweiher und dann entlang der Friedhofsmauer. Und das ausgerechnet auch noch um Mitternacht! 

 Äste knackten ein paar Schritte entfernt, ein Käuzchen schrie und als er gerade am Gottesacker vorbei lief, knarrte plötzlich eine Tür. Simon erschrak fürchterlich, als ein kalter Luftzug aus dem Reich der Toten ihn streifte. Er erstarrte und vergaß weiter zu gehen. Eine schwarze Gestalt, rießengroß, näherte sich ihm langsam. Simon war gerade kurz davor in Ohnmacht zu fallen, da sauste eine Hand auf seine Schulter nieder und eine unheimliche dunkle Stimme sagte: "Na, Simon, so spät nach Hause?". Simon stieß die angehaltene Luft aus den Lungen. Es war der Dorfpfarrer, der ihn nun das letzte Stück des Weges begleitete. Er hatte es seiner Schwester ja gesagt, es ist kein Problem, Nachts zu Fuß nach Hause zu gehen!

Freitag, 19. September 2014

Der Baum der einsam war

Hinter einem Haus, ebenerdig mit dessen Kellerausgang, standen zwei  dicke, hohe, alte Eichen nebeneinander. Sie ragten weit über den  Dachgiebel des zweistöckigen Einfamilienhauses hinaus und spendeten den  Menschen Schatten und Trost und den Tieren Futter. Sie gehörten einfach  hier her.

Eines Tages veränderte sich alles. Ein dicker Ast einer der Eichen  hätte fast das Dach des Hauses eingedrückt. Deshalb wurde gleich der  ganze Baum gefällt. Jetzt war die zweite Eiche sehr einsam und traurig.  Sie stand ganz verloren, die Schatten die sie warf waren unvollständig.  Und der Trost den Menschen hier gefunden hatten, stellte sich bei diesen  auch nicht mehr ein, deshalb kamen sie auch nicht mehr hierher.

Da beschloss der Baum, auf Wanderschaft zu gehen und sich einen neuen  Gefährten zu suchen. Er knarrte ganz schön, wenn er sich bewegte und  wegen seiner Größe musste er das auch ganz langsam tun, um kein  Übergewicht zu bekommen. Seine Krone bewegte sich bei jedem Schritt hin  und her. Aber voller Hoffnung schob er sich weiter, der untergehenden  Sonne entgegegen.

Der knorrige Eichenbaum traf auf Erlen und Birken, auf Tannen und Fichten,  ganze Wälder waren voll mit Nadelbäumen, aber er traf keinen seiner Art  und nirgends fühlte er sich so richtig wohl.
Und wieder war der Baum sehr traurig und fühlte sich einsamer denn  je. Er änderte seine Richtung und kam zu einer großen Stadt. Da der  Verkehr dort sehr stark war, konnte er sich nur ganz langsam vorwärts  bewegen und so hatte er Zeit, sich genauer umzusehen. Er sah Menschen,  die vorüberhasteten, keiner hatte Zeit und auch sie sahen irgendwie  traurig und einsam aus.

Die Eiche kam zu einem kleinen Park. Hier gab es Büsche, Wiesen und  viele verschiedene Bäume, die den Menschen Schatten spendeten, ihnen  Trost gaben und den Tieren Futter und sie beschloss, hier zu bleiben,  denn das gefiel ihr sehr. Die Vielfalt war hier äußerst reizvoll. Die  Eiche hatte zwar keinen Artgenossen gefunden, aber zusammen mit den  anderen Bäumen erfüllte sie wieder sehr wichtige und  verantwortungsvolle Aufgaben - und sie fühlte sich nicht mehr allein!

© Petra Schuster
Nürnberg, 26.04.2004

Mittwoch, 17. September 2014

Zuhause ist es doch am schönsten

Ich verreise nicht mehr gerne. Ein Grund dafür ist, dass ich meine beiden Katzen nicht mitnehmen kann - und ohne sie kann ich nicht einschlafen. Aber wenn ich schon verreisen muss, was ein hoffentlich gnädiges Schicksal mir so wenig wie möglich auferlegen möge, dann am liebsten mit der Bahn.

Sie mögen sich jetzt fragen, warum mit der Bahn, das ist für Reisen in ferne Länder wohl nicht das richtige Verkehrsmittel. Nun, das mag richtig sein, aber die Entscheidung fand immer im Ausschlussverfahren statt.

Also schließen wir aus: Bus und Schiff kommen wegen heftiger Seekrankheit zu Wasser und zu Lande nicht in Frage. Ebenso rasch lässt sich das Flugzeug wegen extremer Höhenangst streichen. Somit ist also auch der Luftweg versperrt.

Ich kann mir vorstellen, was Sie jetzt wissen wollen: "Hat sie es überhaupt ausprobiert?". Ja, hat sie.
Schon als Kleinkind spuckte ich meinem Onkel, der im Sonntagsstaat am Steuer seines Autos saß und die ländliche Familie in die glitzernde Großstadt Nürnberg steuerte, in den Nacken. Und eine Busfahrt unseres Schülerchors zur Begrüßung der bayerischen Landesmutter endete damit, dass eine Mitschülerin nicht mitsingen konnte: Ihre Kleidung trug die Spuren und den Geruch meines Mittagessens.

Mit dem Schiff machte ich sogar mehrere negative Erfahrungen, angefangen mit einer Rundfahrt im Hamburger Hafen, bei der eine Mitreisende und ich - ich denke wir waren beide zwölf - zu Beginn der Fahrt die einzige Toilette gemeinschaftlich besetzten. Die Türe öffneten wir erst, als wir wieder anlegten.

Als Teenager wagte ich dann eine Überquerung des Mittelmeers von Genua nach Tunis auf einem großen Schiff mit Stabilisatoren. Ohne unangenehme Einzelheiten zu nennen kann ich doch sagen, die einzige Zeit, in der mein Magen einigermaßen stillstand war, als ich schlief - und so schlief ich so viel ich konnte.

Damit sind wir bei der letzten Möglichkeit angelangt: der Bahn. Damit lässt es sich glücklicherweise ziemlich problemlos reisen. Ganz besonders gerne erinnere ich mich an meine erste Fahrt, die ich alleine machen durfte. Ich glaube, ich war gerade mal sieben Jahre alt und ich fuhr von Pleinfeld nach Mühlstetten, um meine Mutter zu besuchen. Das war eine Station, Fahrzeit circa sieben Minuten. Meine Oma setzte mich in das Abteil und bat einen unbekannten Mitreisenden, mir die Türe am Zielbahnhof zu öffnen, da die Mechanik in dieser Zuggeneration sehr schwer zu bedienen war. Und dann gab sie mir gute Ratschläge mit auf den Weg und ich war mächtig aufgeregt. Ich fühlte mich großartig, irgendwie wie im Märchen und war mächtig stolz auf mich. Seit dieser Zeit hat das Reisen mit der Bahn, auch auf kurzen Strecken, bis heute etwas Abenteuerliches und Verzauberndes.

Da die Möglichkeit andere Verkehrsmittel zu benutzen ja leider nicht gegeben war, brachte ich auch schon weitere Strecken mit der Bahn hinter mich. So fuhr ich an meinem 18. Geburtstag mit einer griechischen Familie von Nürnberg aus den ganzen italienischen Stiefel entlang bis an dessen Ferse. Die kurze Überquerung mit der Fähre nach Griechenland möchte ich lieber nicht beschreiben.

Was ich ganz besonders an Zugreisen liebe lässt sich am Beispiel einer ganz besonderen Fahrt darstellen. Das Ziel war St. Malo in der Normandie. Im Liegewagen ging es von Frankfurt nach Paris, wo ich die halbe Nacht am Fenster stand und in die Dunkelheit schaute, Simon und Garfunkel im Ohr und die Gedanken einfach schweifen ließ. Ab und zu bewunderte ich an fremdartigen Bahnhöfen die schmiedeeisernen Geländer und Lampen und ich versuchte, die ungewohnte Schrift zu entziffern.
Meinen ersten Aufenthalt in Paris während der vierstündigen Wartezeit auf den Anschlusszug werde ich nie vergessen: Samstagmorgen, sieben Uhr, strahlender Sonnenschein in einer Stadt, die mich mit Charme und Charisma umarmte. Gegen Mittag ging es mit dem TGV nach Rennes, vollklimatisiert und mit Speisewagen. Von dort aus fuhr ein Bummelzug nach St. Malo, wo ich weite Strecken ein Abteil für mich ganz alleine hatte und herrlich dösen konnte. Abends kam ich ziemlich zerknittert aber gut gelaunt und glücklich an meinem Zielbahnhof an. Gerade die verschiedenen Etappen dieser Reise machten diesen Tag zu einem einzigartigen Erlebnis.

Ich glaube, diese Rückblicke haben es deutlich werden lassen: Wenn ich schon verreisen muss, dann mit dem Zug. Wenn ich viele Stunden unterwegs bin, dann habe ich endlich Zeit, meinen Gedanken und Ideen nachzuhängen, manchmal nehme ich meinen Mini-Disc-Player mit und höre endlich CD's, die aus Zeitmangel sonst nur im Regal verstauben. Oder ich lese endlich wieder ein gutes Buch. Alternativ dazu habe ich auch immer halbfertig gestrickte Strümpfe dabei, die endlich fertig werden wollen.

Allerdings ist auch die Bahnfahrt mittlerweile nicht mehr das, was sie einmal war: Die deutschen ICE's legen sich so weich in die Kurven, dass ich auch in ihnen seekrank werde. Das ist der zweite Grund, warum ich jetzt auch im Urlaub lieber zuhause bleibe und mit meinen Katzen kuschle.

© Petra Schuster
Nürnberg, 25.09.2002

Montag, 15. September 2014

Ein ganz normaler Morgen

Ich habe es mir gerade bequem gemacht, mich neben ihr ausgestreckt, meinen Kopf auf ihre Schulter gelegt, die Augen geschlossen, einen wohligen Seufzer ausgestoßen, da ertönt ein infernalisches Geräusch. Sie dreht sich, um den Lärm zu stoppen - und stößt mich aus dem Bett. Verflixter Wecker, seltsame Erfindung der Menschen.

Dabei ist es doch so schön im Bett, frühmorgens, wenn es noch kalt ist draußen - und dunkel - und ungemütlich. Zu zweit im warmen Nest, an mein Frauchen gekuschelt, träumen von Mäusen, Spinnen und anderem Getier, mit dem das Spielen herrlich ist und das man, wenn die Lust erlischt, einfach laufen lässt. Dosenfutter schmeckt sowieso besser - nicht so blutig.

Doch da sitze ich vor dem Bett, schlage mit dem Schwanz und fange an, mit meinem Verlegenheitsputzritual. Unangenehme Sache das, jeden Morgen das gleiche Spiel.

Frauchen dreht sich nochmal um und ich springe wieder ins Bett zurück, lasse mich ganz nah an ihren Körper plumpsen und drücke mich ganz dicht an sie heran. Sie legt einen Arm um mich, murmelt etwas und ich fange an zu schnurren. Neun Minuten lang - bis zum nächsten Klingeln.

Jetzt reicht es aber, ich strecke mich, erst ein Bein nach hinten, dann das andere und zuletzt den Körper ganz lang gemacht. Langsam laufe ich auf meinen weichen Pfoten ins Wohnzimmer und setze mich auf die Lehne des Sofas. Jetzt wird es aber Zeit, dass diese Langschläferin aufsteht und den Futternapf füllt. Das dauert heute wieder ewig.

Na gut, dann eben die erste Katzenwäsche, vom Kopf bis zum Schwanz und ein bißchen die Augen dabei zugekniffen. Noch die Pfote nass gemacht und den letzten Schlaf aus den Augen gerieben, hinter den Ohren geputzt, zum Schluß die Barthaare, fertig. Wie gut, dass wir Katzen geduldig sind.
Endlich, da kommt sie. Uhh, sie schwankt, die Augen sind auch noch nicht auf, irgendwie auch zugeschwollen - ach ja, der Kreislauf, die Gräserpollen und die Katzenallergie. Hatschi, der Griff zum Allergiespray, Augentropfen, Asthmaspray. Das dauert immer! Endlich der Weg in die Küche.

Während das Wasser für den echt englischen Early Morning Tea kocht, wird auch schon aufgetischt - na ja, das heißt eigentlich wird uns aufgetischt. Da kommt auch meine Mitbewohnerin, die schwarz-weiße Dame, die hier bei uns wohnt. Sie setzt sich auf die Anrichte und schnurrt - und wird gestreichelt - Angeberin - und ich muss auf mein Fressen warten! Na ja, zugegeben, manchmal ist es ja ganz schön, sie durch die Wohnung zu jagen und ihr zu zeigen, wer hier der Herr im Haus ist. Solange sie das akzeptiert, darf sie hierbleiben - im Hintergrund, denn die Nummer eins bin ich!
Ich rieche an meinem Katerfrühstück, von weitem, ganz vorsichtig strecke ich mich, der Hals wird lang, die Nasenflügel beben, die Oberlippe vibriert. Na, gar nicht mal so schlecht, was da in meine Nase dringt, ich probiere mal, den Rest hebe ich auf für später, wenn mehr Ruhe herrscht - dann trolle ich mich.

Wie jeden Morgen setze ich mich anschließend statuenartig auf den runden Tisch auf den Balkon und sonne mich und warte. Frauchen kommt eine halbe Stunde später, geschminkt und in sportlichem Outfit und hat noch ein paar Minuten für mich. Sie streichelt mit beiden Händen zärtlich vom Kopf bis zum Schwanz und legt ihre Stirn auf meine, ganz so, als wolle sie meine Gedanken lesen (dabei lese ich ihre, sie weiß es nur nicht). So, ich werde hineingetragen, die Balkontüre und die Vorhänge werden geschlossen. Frauchen schaltet den Strom für den Wasserkocher aus, zieht die Jacke an, schiebt ihre langen Haare unter die Schirmmütze, schultert den Rucksack und öffnet die Eingangstüre.

Ganz kurz husche ich in den Hausflur, rieche am Abstreifer des Nachbarn, werde gewaltsam zurückgebracht, die Wohnungstür schließt sich. Endlich Ruhe, wurde ja auch langsam Zeit. Katzen brauchen viel Schlaf und viele einsame Stunden zum Dösen. Ich lege mich auf das Bett, mit einen halben Meter Sicherheitsabstand zu der black and white Lady. Augen zu und träumen - von den Mäusen - und den Spinnen - und davon, dass mein Frauchen bald wieder nach Hause kommt, ohne sie ist es halt doch langweilig!

Euer Bärle

© Petra Schuster
Nürnberg, 11.09.2002

Freitag, 12. September 2014

ALDIMania

Donnerstag, 8:20 Uhr. Ich biege in den Parkplatz ein. Eigentlich dachte ich, ich würde die erste sein, ALDI öffnet schließlich erst um 8:30 Uhr. Aber weit gefehlt. Vor der Türe drängen sich schon mindestens 10 Leute. Ich überlege, ob ich noch im Auto sitzen bleibe, denn es regnet leicht. Aber so wie das aussieht, ist alles ausverkauft, wenn ich als Letzte durch die Türe dränge. Also stelle ich mich an. Mal schauen, wo es am besten ist, direkt von hinten oder vielleicht doch lieber von der Seite?

Das Publikum ist bunt gemischt. Männer, Frauen, Alte, Junge, Hausfrauen, Handwerker, die mit dem Firmenwagen reingefahren sind, was die wohl alle wollen? Hoffentlich nicht genau das, was ich auch will: ich habe es auf Laufklamotten abgesehen. Im Prospekt stand: Tights, kurzärmlige Laufshirts für Frauen und Männer, Laufshirts ohne Arm, passende Laufjacken mit abnehmbaren Ärmeln. Verschiedene Ausführungen. Das bedeutet, ich muss versuchen, eine Hose, das T-Shirt und die Jacke in der gleichen Ausführung zu bekommen und dann auch noch in der Größe, die am schnellsten vergriffen ist: S. Vor mir liegt eine schier unlösbare Aufgabe. Ich beschließe, zumindest zu einer Hose das passende Shirt zu ergattern.

Ich wappne mich und beobachte die Leute, die da stehen. So wie es aussieht, lauter alte ALDI-Hasen mit viel Erfahrung beim Schnäppchen jagen. Eine Frau wird gerade von jemanden, den sie offensichtlich gar nicht kennt, darüber aufgeklärt, dass Tchibo vor kurzem billige und trotzdem gute Fahrräder verkaufte. Sie läßt sich kurz auf eine Diskussion ein und ist der Meinung, dass es ja einen Grund haben müsse, dass die Räder so billig sind, da werde sogar an den Schrauben gespart, die beim kleinsten Regentropfen rosten würden, wüßte man ja. Ich frage mich, für welches Sonderangebot sie sich wohl interessiert. Nach Laufen sieht sie eher nicht aus.

Irgendwer rammt mir einen Einkaufswagen in den Rücken. Ich beschwere mich, jemand murmelt eine nicht ernst gemeinte flüchtige Entschuldigung. Überhaupt nehmen die Wägen ganz schön viel Platz weg, beim Anstellen, so direkt in der Einflugschneise, schließlich ist die Tür doch gar nicht so breit.

Eine Frau stellt fest, dass es doch schon halb Neun sein müsse, der Mann daneben sagt, nein, noch zwei Minuten. So langsam wird es eng. Es schiebt von hinten Richtung Tür, die sich trotzdem noch nicht öffnet. Ob da ein Verkäufer kommt und die Türe aufschließt? Hoffentlich wird er nicht umgerannt!

So langsam spannen sich meine Muskeln und meine Aufmerksamkeit steigt. Hoffentlich finde ich gleich den Ständer in dem die von mir so heiß begehrten Cool Max Klamotten liegen, Multifunktion, das ist wichtig, wegen dem Schweiß, der vom Körper weg nach außen transportiert wird (von wem eigentlich?) und dort verdunstet.

Ich versuche über die Leute zu schauen, stelle mich auf die Zehenspitzen, vielleicht sieht man ja, wo man hin muss? Ich merke, dass ich langsam eingequetscht werde. Spannung liegt in der Luft, Gespräche verstummen, selbst der Fahrradfreek hört endlich auf über die Vorzüge seines neu erworbenen Schmuckstücks zu philosophieren. Es knistert.

Jetzt aber, es ist halb! Warum passiert denn nichts? Keiner zu sehen. Das ist ja wohl dreist. Haben die eigentlich keine Uhr? Plötzlich - die Tür geht auf - ganz von selbst, wie von Zauberhand. Es strömt vorwärts, drängt und drückt, ein paar Wägen verkeilen sich, Stau entsteht, aber irgendwie geht es weiter. Man merkt, die Leute haben Übung!

Ich steche der Masse nach und dann kommen die Container. Welcher ist es denn nun? Ein bißchen verteilt es sich. Es gibt auch noch Kinderschuhe, da bleiben ein paar Leute hängen, aber die meisten stürzen weiter. Ich sehe nur noch Rücken, keine Jacken, keine Tights, keine Shirts. Durchgeatmet und rangedrängt. Was andere können, kann ich auch, keinen störts. Ja, ich glaube, hier bin ich richtig. Es wird gewühlt - ich wühle mit!

Welche Farben gibt es denn? Ah, rot - häßlich, blau - auch nicht besonders schön, da: orange. Toll, ich habe meine Farbe gefunden, nun noch von jedem Teil ein Stück in orange in meiner Größe. Hier eine lange Tight, orange, Größe L, nein, ich wühle weiter, Größe S - ja!! Und nun noch eine Jacke, zu groß. Aber dafür ist hier eine rote in small, vielleicht sollte ich doch auf rot gehen? Ich beschließe, zweigleisig zu fahren und klemme mir die rote Jacke und die orangen langen Hosen unter den Arm, vielleicht findet sich ja das passende Pendant dazu, egal ob in rot oder orange, bei ALDI darf man da meist nicht wählerisch sein, dafür ist es billig - oh pardon - preiswert!

Langsam werden die Leute rabiat, eine Frau reißt mir eine Packung aus der Hand und verschwindet, egal, war eh nichts, was ich gesucht habe. Jemand drückt mir den Ellbogen in die Seite, meinem Nachbarn versuche ich zu verstehen zu geben, dass er auf meinem Fuß steht.

Inzwischen habe ich eine lange Tight und eine Jacke in Größe S in orange und beides auch noch in rot. Welches Oberteil ich wohl dazu finden werde?

Plötzlich fällt mir auf, dass ich keine Shirts sehe. Wo sind die Shirts? Wo sind die.... ich gehe an den nächsten Präsentationsständer, nichts, ich drehe mich im Kreis und werde panisch, was, wenn schon alle weg sind? Ich murmle vor mich hin, fast kommen mir die Tränen: wo sind denn diese blöden Shirts, irgendwo müssen doch die Shirts sein, wo sind denn.... Da kommt mir eine Frau entgegen, sieht, wie verzweifelt ich bin, hört mich murmeln dreht sich halb um, streckt den Finger aus und sagt: die Shirts sind da weiter hinten.

Ich bedanke mich erleichtert und stürze hin. Ein oranges Laufshirt. Bitte, bitte, lass ein oranges Shirt in S da sein! Ich nehme jetzt keine Rücksicht mehr, dränge mich nach vorne, drehe das unterste nach oben und siehe da, ich habe Glück, gleich zwei Stück nebeneinander. Ich greife alle beiden, wenn eines kaputt geht, dann habe ich wenigstens ein zweites, kann schließlich nicht schaden. Und da ein blaues ärmelloses, das passt zu der hellblauen Tight, die ich mir sicherheitshalber auch irgendwann unter den Arm geklemmt habe, man kann ja nie wissen.

Inzwischen bemerke ich, dass Mitstreiter auch kurze Tights in der Hand halten. Kurze Tights? Ich wieder zurück auf der Suche nach einer kurzen Tight in orange in Größe S. Aber so langsam haben sich die Massen verflüchtigt, die Tische sind fast leer, kurze Teile gibt es nur noch in dunkelblau in meiner Größe. Orange und dunkelblau? Müsste man zuhause ausprobieren, schließlich kann man alles wieder zurückgeben. Aber da: eine 3/4 Hose in rot, wußte gar nicht, dass es sowas heute hier auch gibt. Prima, finde ich klasse, für den Übergang, aber dann brauche ich ja noch ein Shirt in rot....... in meiner Größe.......

Ich überlege, was ich sonst noch brauche und gehe zur Kasse. 98,25 Euro - WAS? Ich schlucke und bezahle. Ganz schön geknickt ob der hohen Summe fahre ich weiter in die Arbeit und warte auf den Feierabend und denke an meinen vollen Kofferraum - und an meinen leeren Geldbeutel.

Zuhause probiere ich alles an. Ein paar Probleme habe ich schon. Eine lange Tight und kurzärmlige Shirts? Na ja, dafür habe ich die passende Jacke dazu - alles in orange, in meiner Größe! Eine rote Jacke behalte ich auch noch, für meine neue rote 3/4 Hose, das rote Shirt sieht häßlich aus, wird umgetauscht. Zur Not kann ich dann ja mein gelbes von Adidas dazu anziehen - gleich mal probieren - rot und gelb, sieht cool aus - werde ich zum 1. Finishline Frauenlauf anziehen! Auch die dunkelblaue kurze Tight werde ich morgen zurückgeben, passt doch nicht zu orange (habe ich mir doch gleich gedacht)! Hellblaue Shorts mit dem passenden ärmellosen Shirt - o.k, behalte ich, für Tage an denen es mal richtig heiß wird.

Ein paar Tage später habe ich ein sehr seltenes Glück: eine innere Stimme führt mich zu einem anderen ALDI und dort liegt einsam und verlassen eine kurze orange Tight in S (langsam war ich schon so weit, ich hätte auch M genommen, wenn ich sie bekommen hätte), die, erkennbar an der fehlenden Verpackung, zurückgegeben worden war. Schwups, jetzt bin ich aber für die nächsten Jahre ausgestattet. Und im Herbst gibt es dann lange Multifunktions-Unterwäsche - an einem Donnerstag, 8:30 Uhr bei ALDI!

© Petra Schuster
Nürnberg, 8.9.2002

Montag, 8. September 2014

Zwei alte Freunde

Seit Kindheitstagen liebe ich es, zu Lesen. Aus Mangel an Lesestoff (das gute Schneider Buch war teuer und es kam nichts anderes ins Haus), las ich alle meine Bücher mindestens dreimal, manche öfter.

Einmal, ich war ungefähr 10 Jahre alt, wollte ich wieder einmal etwas Neues lesen. Da fiel mir ein, dass in Vaters Regal ein paar wenige Bücher standen. Tagsüber war ich immer allein zu Hause und so ging ich stöbern.

Ich erinnere mich nur noch an zwei Titel. Natürlich kein Lesestoff für Mädchen.
Das eine Buch war ein Kinderbuch für Jungs, geschrieben in altdeutscher Schrift. Der Einband war bunt und ein Indianerjunge war darauf. Ich fing an zu schmökern. Es dauerte anfangs ziemlich lange, weil ich noch nie so eine Schrift gelesen hatte. Aber ich fühlte mich in eine andere Welt versetzt. Indianer! Und der Stil war auch ganz anders, für Jungens eben. Ich liebte es, in diese neue Welt einzutauchen und meine Einsamkeit eine Zeit lang zu vergessen, ins ferne Amerika zu reisen und ein Abenteuer mit einem Indianerjungen zu bestehen, mit Büffeln, Zelten, und Ponys in einer fremden Zivilisation und Kultur.

Einmal, bei einem seltenen Besuch mit Klassenkameradinnen im Freibad, nahm ich das Buch mit. Alle lachten mich aus, reagierten verständnislos. Ein Mädchen, das ein Jungenbuch liest! Na ja, Außenseiterin war ich schon immer gewesen und wenn ich jetzt so darüber nachdenke, verdammt eigensinnig.

Als mein Vater merkte, dass ich das Buch las, reagierte auch er sehr seltsam und versuchte mir deutlich zu machen, dass ich doch ein Mädchen sei und Mädchenbücher lesen müsse (und mit Puppen spielen!). Und ich hatte fast das Gefühl, er hielt mich einmal mehr für eine missratene Tochter (wenn schon "by accident", dann hätte er doch lieber einen Jungen gehabt). Irgendwann war dieser erste besondere Freund dann verschwunden.

Ich weiß leider nicht mehr, ob ich zu Ende gelesen habe. Aber wenn ich daran denke, dann spüre ich immer noch ein bißchen diese fremdartige, geheimnisvolle Atmosphäre, die spürbar war, wenn ich mich in diese fremdartige Welt begab.

Das zweite Buch, das ich fand, war großformatig und handelte von Architektur. Der Einband war braun und die goldenen Buchstaben waren im Tiefdruck und tastbar. Ein wunderschönes Bild war auf der Vorderseite in der Mitte mit einem goldenen Rahmen. Die Oberkanten der Seite des Kunstwerks waren auch vergoldet. Als ich es aufmachte, war ein Fleck auf der ersten Seite, daran erinnere ich mich sehr gut. Der Inhalt war mit vielen akkuraten Zeichnungen in schwarz und rot. Die Schrift war in Altdeutsch und die Anfangsbuchstaben waren rot verziert. Teilweise fanden sich farbige Zeichnungen, durch ein dünnes durchsichtiges Papier von der gegenüberliegenden Seite getrennt. Ganz vorsichtig habe ich diese dünnen Seiten umgeblättert und gestaunt.

Ich liebte es, die Bilder und Zeichnungen zu betrachten, liebte, den besonderen Geruch den es verströmte zu atmen, es zu spüren, mit den Händen, mit dem Blick, mit meiner ganzen Seele. Nur gelesen habe ich es nie.

Aber es war etwas ganz Besonderes, das merkte ich und habe es immer wieder heimlich bestaunt. Es war eine Zeit lang ein Teil meines Lebens. Ich hätte es gerne richtig in mein Leben integriert, es mitgenommen, besessen. Aber das ließ mein Vater nicht zu. Als er mich das erste Mal beim Anschauen ertappte, nahm er es mir ab. Es sei zu wertvoll um damit zu spielen und ich würde es nur kaputt machen, wie ich alles andere auch kaputt machen würde. Na ja, ich habe schon immer vesucht, alles, was man zerlegen konnte, auseinander zu nehmen und es wieder zusammen zu bauen. Das mit dem Zerlegen hat auch immer geklappt, aber das zusammenbauen.....

Aber ein Buch! Noch dazu eines, das ich so sehr liebte, Darauf hätte ich sicher aufgepasst. Leider war mein Vater, wie immer, anderer Meinung und als er bemerkte, dass ich es immer wieder in die Hand nahm, versteckt er es. Ich glaube, ich habe es dann noch einmal wieder gefunden, aber nur ganz kurz, dann war es wieder verschwunden.

Als ich erwachsen und von zuhause ausgezogen war, besuchte ich meinen Vater und habe das Archtitekturbuch einmal gesehen. Es war, als treffe ich einen alten Freund wieder, der lange Zeit verschollen war. Wärme und Vertrautheit durchströmte mich. Da konnte ich wirklich einschätzen, dass es sehr wertvoll war. Trotzdem fragte ich ihn, ob ich es haben könne. Natürlich nicht. Schade. Es war irgendwie ein Teil von mir, meiner einsamen Kindheit, wo Bücher Freunde und Trost gewesen waren.

Der Kontakt zu meinem Vater riss bald ab und ich habe diese Freunde nie wiedergesehen, aber ich habe sie beide nie vergessen.

Nachtrag:
Zum Schluss habe ich meine alten Freunde doch wiedergesehen. Nachdem mein Vater gestorben war, bekam ich 4 Kisten vom Dachboden seines Hauses nachdem meine Stiefmutter es verkauft hatte. In zwei Kisten waren meine Puppen und ziemlich lädierte Stofftiere aus meiner Kindheit und in zwei Kisten meine Märchen- und Jugendbücher - und mittendrin das Buch mit dem Indianerjungen von Franz Taut "Der Sohn des Roten Jaguars" ca. aus dem Jahr 1950. Aber wie erstaunt war ich, als ich feststellte, dass es, entgegen meiner Erinnerung, gar nicht in deutscher Druckschrift gedruckt war. Und noch erstaunter war ich über das "Architekturbuch". Es war von Anton Springer und hieß "Handbuch der Kunstgeschichte II Mittelalter" in der 8. Auflage aus dem Jahr 1909. Und auch da hat mich meine Erinnerung getrügt: Die Außenseite ist zwar braun und die Schrift und Ornamente im Tiefdruck, aber die Farbe der Schrift ist schwarz und der Rand nicht golden sondern rot. Innen sind wie in meiner Erinnerung neben schwarz/weiß Fotografien eben auch feine Grundrisse und Architekturzeichnungen und auch farbige Drucke, teilweise mit dünnem Papier geschützt. Aber in diesem Buch ist die Schrift in deutscher Druckschrift! So kann es gehen, ich habe da in meiner Erinnerung wohl einiges durcheinander gebracht. Aber das ist nicht wichtig. Hauptsache sie sind wieder da!

© Petra Schuster
Nürnberg, 15.08.2002, editiert 21.08.2022

Dienstag, 13. Mai 2014

Die Katze, das Buch und ich

Die Katze

sitzt schnurrend auf dem Bett

und räkelt sich


Das Buch

steht einsam im Regal

und langweilt sich


Sag mir doch

was ich hier tue

mitten in all den Dingen


Ich nehme das Buch und lese es

und setze mich auf das Bett und streichele die Katze 

und finde mich

Samstag, 31. Juli 2010

Heute Nacht

Heute Nacht

bin ich aufgewacht

hab' Licht gemacht

und nachgedacht:


Vieles hab' ich durchgemacht

das Leben war nicht gerade sacht;

überall hat es gekracht,

ja, ich hab' viel mitgemacht.


Heute früh um Acht

bin ich aufgewacht,

das Licht war nicht ausgemacht;

über was habe ich noch nachgedacht?

Dienstag, 26. August 2008

Morgentau

Morgentau bedeckt das Gras
die Luft ist frisch und kühl, 
die Dämmerung steigt auf
und Vögel singen laut.

Es ist so friedlich
hier zu stehen,
zu sehen, zu riechen
und zu spüren.

Die Welt schläft noch
und ich fühle mich allein
aber nicht einsam
ich genieße es. 

Ich tanke Ruhe
und Kraft für den Tag
jetzt fühle ich Mich bereit
und beginne zu leben.

Donnerstag, 13. Mai 2004

Liebe mich

 Die großen Augen seh'n mich an

und bitten

"liebe mich,

doch tu mir nicht weh

sei ganz sanft zu mir,

ich habe Angst vor dir

und deiner Liebe".



Freitag, 6. Januar 1989

Ich liebe dich

 Ich liebe dich,
dein graues Haar,
den schlanken Körper
immerdar.

Du bist meine Sehnsucht
und liegst mir im Blut,
so weit, so gut.

Du gehörst zu mir,
so voll und ganz 
aber am liebsten mag ich
deinen Schwanz.

Du bringst mir viel Glückseligkeit
allzeit bist du dazu bereit
ohne Bitterkeit.

Du wedelst mir
mit diesem Drum
am liebsten
im Gesicht herum.

Egal wie ich liege,
du liegst obenauf
auch wenn ich mich drehe,
du bleibst oben drauf.

In meinem Arm schläfst du dann ein,
du bist mein,
ich bin dein.

Manchmal streichelst du
zart mein Gesicht,
dann wache ich auf,
es kümmert mich nicht.

Am Morgen dann
siehst du mich treu herzig an
dann und wann.

Frühstück gibt es
dann ganz schnell,
ich muss in die Schule,
es ist schon ganz hell.

Der Lehrer gackert wie ein Huhn,
was magst du jetzt tun?
ruh'n?

Ich träume von dir,
die Schule ist aus,
du wartest auf mich,
schnell geh' ich nach Haus'.

Nun folgt wie jeden Tag,
ich sag',
dass ich dich mag.

Abends dann setzt du dich
auf meinen Schoß,
und schmiegt dich an mich,
ich finde das groß.

Du bist mein allergrößter Schatz,
du bist 'ne richt'ge kleine Matz,
du Katz!

Montag, 3. Oktober 1988

Tauben

 Nürnberg ist 'ne schöne Stadt,

die hat,

man soll's nicht glauben,

viel Sehenswertes,

aber auch

viel' Tauben.